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Die Abiturrede von 1985 zum Abiball
Die Rede zum Abi-Ball am 24.05.1985 hat Nessie wiederentdeckt und möchte ich Euch nicht vorenthalten. Die Version hier ist als Text per OCR digitalisiert. Die damals gültige Rechtschreibung wurde natürlich beibehalten. Wer's komplett im Original als PDF lesen möchte, kann dies hier machen: Abirede-1985.pdf - viel Spaß beim Lesen!


ABITURREDE 1985

 

Liebe Eltern, liebe Lehrer liebe Gäste, lieber Direx!

„Es ist leichter den Mund zu halten, als eine Rede.“

Wir standen, d.h. ich stand vor dem selben Problem, wie der

geistige Ziehvater des Abiturjahrganges '85, Heinz Erhardt,

von dem dieses Zitat stammt, als es galt, die Abiturrede zu

verfassen. Eigentlich sollte ich zuerst die Rede alleine

entwerfen, aber dann haben wir uns entschlossen, den unver-

meidlichen Akt als Kollektivverbrechen zu begehen.

Liebe Gäste, wir, die wir diese Abschlußfeier vorbereitet

haben, hoffen sehr, daß Programm und Rahmen ihren Geschmack

finden.

Einer der Lehrer hat uns sein Wohlwollen bereits "bei der

mündlichen Einladung bekundet. Ich darf Herrn Meisel zitieren:

„Also, meine Damen und Herren, ich bin positiv überrascht,

daß Ihre Abschlußfeier in einem so festlichen Rahmen vonstatten

gehen soll. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da mußte

man als Lehrer aufpassen, daß man von den Abiturienten nicht

den Ranzen vollkriegte“. Nun, Herr Meisel, das ist als Pro-

grammpunkt heute Abend nicht vorgesehen.

Dennoch haben sich in den unzähligen gemeinsamen Unterrichts-

stunden viele kleine Anekdötchen und Erlebnisse angesammelt,

von denen wir einige ihnen, liebe Gäste, meiner Ansicht nach

auf gar keinen Fall vorenthalten bleiben dürfen.

Ich möchte an dieser Stelle vorausschicken, daß die nachfol-

genden Charakterisierungen der einzelnen Lehrer zwar meist

treffend, aber nicht unbedingt ernst zu nehmen sind.

 

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Ohne den Einzelehrungen vorgreifen zu wollen, ist es uns ein

Herzensbedürfnis, liebe Lehrer, Ihnen für die von Ihnen allen

viele Jahre lang inszenierte Show zu danken. Wie niemand

anders haben Sie in jahrelanger, mühsamer unbeirrbarer Sys-

siphosarbeit versucht, uns die Grundlagen dessen zu vermit-

teln, was man gemeinhin als für das Leben notwendig erachtet.

Wir mußten feststellen, daß Sie wie wahre Eltern zu uns waren:

unfair, despotisch, patriarchisch und rechthaberisch. Und

wir waren wie wahre Kinder zu Ihnen: aufmüpfig, frech, auf-

sässig und autoritätsverachtend, dabei den Vorgesetzten aber

immer scheinheilig grüßend.

Besonders aber möchten wir uns bei Ihnen Herr Brunotte,

bedanken. Sie verstanden es immer wieder im Deutschunterricht

mindestens zwei Schüler am einschlafen zu hindern, indem Sie

sie bis zum Exzess die selbe Szene aus Schillers "Don Carlos"

mit verteilten Rollen rezitieren ließen, womit Sie auch das

anfangs beängstigende Interesse der Schüler am Unterricht

zu zügeln wußten.

Wenn wir schon gerade bei den Germanisten sind, kommen wir

nicht umhin, auch unseren Deutsch-LK-Lehrer Herrn Vollmer

anzusprechen. Sie bekamen, zuverlässigen Informationen zufolge,

im Rahmen der Abiturkorrektur versehentlich "Faust

I und II" in die Finger. Sie gaben Goethe, so war zu hören,

dafür 7 Punkte, und zwar wegen "unsauberen Ausdrucks, in-

korrekter Interpunktion und falsch gewählter Stilebene".

Zweitkorrektor Herr Meisel zog angeblich noch 2,5 Verrech-

nungspunkte ab, wegen unsauberen Schriftbildes, mangelnder

äußerer Form und nicht zuletzt, weil Goethe keinen Kanzlei-

bogen verwendete, auf dem das Datum oben rechts angeordnet

 

- 3 -

 

war und der Rand für Korrekturbemerkungen nicht die vorge-

schriebenen 3,5 cm Breite maß.

Herr Schaufler, seines Zeichens Mathe-LK-Lehrer, pflegte

sich nicht mit solchen formalen Kleinigkeiten auseinander-

zusetzen. Er bewies einen bemerkenswerten Hang zu Nonkon-

formismus, indem er sein allmorgentliches Müslifrühstück

in die Klausuren verlegte und dank seines guten Appetits

körnerknurpsend die allgemeine Konzentration zum Erliegen

brachte. Dadurch, daß er das Müsli stets in beiden Backen

zu kauen pflegte, erhielt er übrigens wegen seines hamster-

artigen Äußeren den Spitznamen "Max, das Murmeltier".

Ähnliches ist vom Englisch-LK-Lehrer, Heinz Hardman, zu be-

richten. Ihr Hustenbonbonkonsum, Herr Hardman, wurde zu

einem allgemeinen Charakteristikum, wobei der Zuckergehalt

besagter Süßigkeit die korrekte Aussprache des überaus wich-

tigen und in der englischen Sprache elementaren "th" mehr

oder minder vereitelte, da die dafür unentbehrliche Zunge

am Gaumen klebte oder das rebellische Bonbon ständig in die

dafür vorgesehene Backentasche zurückmanövrieren mußte.

It's hard to be a Hardman!

Ferner bedanken wir uns bei Religionslehrer René Rippien

für seinen Langmut und sein unkonventionelles psychologisches

Verständnis, Er versuchte, den enormen Dezibel Pegel während

seiner Stunden durch folgenden Ausspruch zu senken: "Ent-

weder Ihr seid ruhig, oder Ihr fehlt!" Dadurch senkte sich

freilich der Teilnehmerdurchschnitt in den darauffolgenden

drastisch, und schließlich und endlich blieben nur noch

der "Interessenverband der strickenden Landfrauen" in der

Westkurve und die "Schiffe-Versenken-Kommission" in der Ost-

kurve übrig.

 

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Herr Simpfendörfer, Geschichtslehrer und MdB a.D., Sie ver-

standen es wie kein Zweiter, sich bei indiskreten Fragen

zum Ergebnis der Abiklausuren in einer pädagogisch-politischen

Grauzone zu bewegen, wobei Ihnen Ihre rhethorischen und bun-

destagserprobten Fähigkeiten, mit einer Flut von wohlklin-

genden Worten de facto nichts zu sagen, enorm halfen. Die

Schüler ließen Sie mit klingenden Ohren weiter im Nebel des

Unwissens tappen. Wohl der Partei, die einen solchen Mann

ihr eigen nennen darf. Haben Sie doch somit bewiesen, daß

Sie alle Voraussetzungen erfüllen, die in der Bundesrepublik

einen Kanzler erst zum Kanzler machen.

Nicht zum Kanz1er, doch zum Nobelpreisträger in Sachen Physik

ist Herr Birkhold prädestiniert. Ihre gutgemeinten Versuche,

dem Physik-GK dreidimensionale Potentialtöpfe, die Quantelung

derselben sowie die Lorenztransformation näherzubringen,

scheiterten an der ignorantia fundamentalis der Schülerschaft.

Und Ihre leutseligen Hinweise auf die komplexe Zahlentheorie

und diverse andere Hilfsmittel aus dem 3. Semester stießen

demzufolge nur noch auf taube Ohren. Die Birkholdsche Kader-

schmiede für die Einsteins des Jahres 2000 blieb im Jahre

84/85 deshalb wieder wegen mangelnder Eignung unterbesetzt.

Apropos ignorantia fundamentalis, Herr Breitenbacher: im

Latein-LK ist das römische Reich nach wie vor am Untergehen.

Der damalige Sittenverfall setzte sich auch 1984/85 fort.

Mit erigiertem moralischen Zeigefinger waren Sie, Herr Breiten-

bacher während Ihrer ganzen Dienstzeit eifrig bemüht, an-

stößige Beziehungskisten in sittlich vertretbare Bahnen zu

lenken, was Ihnen aber nur ansatzweise gelang da die paarungs-

willigen Schüler sich nur wenig an Ihrem ethisch-moralischen

 

- 5 –

 

Veto störten.

Wechseln wir - um bei der lateinischen Terminologie zu blei-

ben - ad hoc das Thema: Sport. Seit der spektakulären Be-

freiung, der Geiseln 1977 in Mogadischu plagen unseren Sport-

lehrer Karl-Heinz Moschüring Befürchtungen, daß sich ein

ähnliches Drama auch im Hohenlohischen zutragen könnte.

Um solch einer Tragödie, z.B. einer Schulbusentführung durch

die Röttinger Unterabteilung der bayerischen Seperatisten-

bewegung auf der Strecke Neubronn - Weikersheim vorzubeugen,

ist er seit diesem Zeitpunkt eifrigst bestrebt, im

Rahmen der planmäßigen Sportstunden eine zweite GSG 9 zu

formieren - sehr zum Leidwesen der nikotingeschädigten

Pennäler, die mangels der erforderlichen männlichen Härte

bereits nach dem Aufwärmtraining die Waffen streckten.

Sollte es jedoch tatsächlich zur Katastrophe kommen, stehen

allen Unkenrufen zum Trotz zwei Sport-LKs zur Verfügung,

die dank der ausgedehnten Waldläufe und Zirkel jeden auf-

rührerischen bajuwarischem Partisanen zur Raison bringen.

- Unser Biologie Lehrer, Herr Dieter, erwies sich als Trend-

setter No. 1 mit seiner wollig-molligen Pudelmütze. Er legte

dabei die Richtlinien nach folgendem Motto fest: je schul-

hofmäßiger das Muster, je größer die Bommel, desto hipp.

Nebenbei gelang es Herrn Dieter äußerst geschickt passend

zum Thema Verhaltenslehre, über Aufzucht und Hege von

Menschenjungen zu informieren, indem er stundenfüllend

Anekdoten über seinen kleinen Sohn Jonas einfließen ließ.

Den staunenden Kurs überraschte er immer wieder mit täglich

neuen Bulletins über dessen ersten Zahn, oder erste Kontakte

mit der heimischen Steckdose. So demonstrierte er den Schü-

lern das Wunder des menschlichen Lebens aus erster Hand,

 

- 6 -

 

Wir werden ihn sehr vermissen. - Jonas natürlich.

Andererseits, der Chemie-LK vermisst ihn heute noch, den

Silberspiegel im Reagenzglas nämlich. Dreimal versuchte

Frau Fuggerer die beliebte Reduktion von Silbernitrat zu

elementarem Silber zu demonstrieren. Die Theorie war zwei

Jahre lang auf ihrer Seite. Aber wer glaubt schon, was in

Büchern steht. Statt blinkendem Edelmetall zeigte sich dem

Betrachter regelmäßig nur eine schmutzig-graue Brühe. Solche

und ähnliche Nichtigkeiten wurden den staunenden Schülern

mit der "ihr-wisst-ja-es-hätte-das-und-das-passieren-müssen"

-Masche verständlich gemacht, Eine Argumentationsweise, der

der Durchschnittspennäler nichts entgegenzusetzen hat.

Zugute muß Frau Fuggerer jedoch gehalten werden, daß durch

ihren unermüdlichen Einsatz in der Aktion "Sicherheit für

Pyrotechniker" inzwischen jeder Chemie-LKler Kuchen nur

noch mit Schutzbrille und weißem Kittel backt.

Wir freuen uns besonders, heute Abend auch unseren Franzö-

sisch-LK-Lehrer Herrn Ehrmann begrüßen zu dürfen, war es

doch wochenlang ungewiß, ob er wegen seines geklauten BMW

überhaupt erscheinen kann. Geprägt durch derartige Vorkom-

mnisse entschied sich Herr Ehrmann, auf die nächste Armani-

Krawatte zugunsten eines weiteren Sicherheitsschlosses und

einer Autoalarmanlege zu verzichten. Man munkelt übrigens,

daß neulich abends besagte Alarmanlage losheulte, Herr Ehr-

mann daraufhin zu seinen Wagen stürzte, niemanden vorfand,

und daraufhin am liebsten das Verbindungskabel zur Sirene

durchgebissen hätte, Dies gelang aber leider nicht, weil

irgendein Witzbold erst die Alarmanlage ausgelöst und dann

Streichhölzer in die Türschlösser gesteckt hat. Wer war das

wohl?

 

- 7 -

 

So weit, so gut. Nachdem wir also einen repräsentativen

Querschnitt durch das geschätzte Lehrerkollegium gemacht

haben, möchten wir zu guter Letzt unseren Principale to-

tale, Herrn Direktor Thierauf, nicht ganz übergehen. Nein,

wir wollen jetzt nicht wieder auf das abgenudelte Wortspie1

"Thierauf - Tür zu" hinaus, das kennt inzwischen wohl ja

jeder, - wir möchten uns eigentlich nur bei ihm bedanken.

Zum einen für seine unermüdlichen Bemühungen um den Mathe-

GK - ebensogut hätte er versuchen können, einer Hohenloher

Hummeles Zucht das Rollschuhlaufen beizubringen, der Effekt

wäre hinsichtlich Einsatz und Ergebnis ähnlich gewesen.

Nichtsdestotrotz hat er es geschafft, alle Eleven unbeschadet

über die Runden zu bringen, wofür ihm ungeteilter Beifall

gilt. Zum anderen möchten, wir uns ganz schlicht bei ihm

bedanken als einem der besten Direktoren diesseits und jen-

seits der Tauber. Wir wünschen Ihnen weiter so viel Erfolg

bei der Haus- und Schularbeit.

 

 

Liebe Lehrer, lieber Herr Direktor, daran, daß keiner von

Ihnen während dieser Rede den Saal verlassen hat, können wir

wieder einmal sehen daß wir verständnis- und humorvolle

Lehrer haben, eine wesentliche Voraussetzung für die ange-

nehme und ungezwungene Atmosphäre an unserer Schule.

Daß trotzdem alle Dreizehner in diesem Jahr das Abitur

geschafft haben, zeigt, daß sich gute Atmosphäre und gute

Leistung nicht ausschließen. Dafür möchten wir den Lehrern

 

- 8 –

 

 

und dem Direx ganz herzlich danken, und auch dafür, daß

an dieser Schule die Lehrkräfte in dem Schüler das Einzel-

schicksal sehen und nicht nur einen in der Masse, - kurz,

daß Sie sich der Probleme der einzelnen Schüler individuell

angenommen haben,

Normalerweise kommen in einer Abiturrede jetzt noch Forder-

ungen an die Schule, Verbesserungs- und Änderungsvorschläge.

Wir können nur sagen - und ich glaube damit kann ich für

alle Abiturienten sprechen -, hoffentlich bleibt diese

Schule so, wie wir sie erlebt haben,

 

 

 

Weikersheim, den 24.05.1985          Peter Rumm

Ulla Seubert

Rolf Tetschlag

Michael Trautermann

Alexander v. Uslar-Gleichen

Dirk Zumpe


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01.06.2022